Guido Freis

Blickfrei(s)


Ich gebe es zu - auch ich hatte schon vor dem Trip nach Marrakesch ein Bild dieser Stadt. Doch gleich am ersten Tag in der wuseligen Altstadt darf man feststellen, dass es ein offenbar friedliches Miteinander von Juden und Moslems gibt. Die Synagoge steht nur einen Steinwurf von der Moschee entfernt. Alles wirkt entspannt und lebensfroh.

Die enge Verbindung von Islam und Judaismus findet sich sogar in den Ornamenten der großen Moschee. Der Davidstern war wie selbstverständlich bis heute Bestandteil der künstlerischen Gestaltung der Paläste und Moscheen. Wie gesagt - alles ganz entspannt und friedlich.

Das Moped ist das Hauptverkehrsmittel in Marrakesch und das einzige, welches es bis und durch die Altstadt schafft.
Dementsprechend gibt es zahlreiche Moped-Werkstätten in den noch richtig geschraubt und gedengelt wird.

In der untergehenden Sonne findet sich ein Anblick, der jung und alt, Tradition und Moderne und wohl auch Kleidungsstil heute, gestern und damals vereint. Das sich die drei Männer dann auch noch gefühlt von einander abwenden, rundet den Kontrast ab.

Die kleinen Hotels, Riads genannt, haben oft einen angenehmen Charme und bestechen durch liebevolle Details und ein Ambiente von Klein aber Fein. Da kann man es aushalten.

Wandelt man durch die Souks finden sich Stände wie diese immer wieder. Gewürze zu Kunstwerken aufgetürmt und diverse extreme süße Leckereien verwirren die europäische Nase gewaltig.
Das Bild an der Wand zeigt übrigens den König Marokkos genau an diesem Stand. Der König scheint tatsächlich bei den meisten seiner Untertanen (zumindest in Marrakech) recht beliebt zu sein.

Wer kennt die Geschichte von Aladin und der Wunderlampe nicht?
Und Lampen findet man in den Souks der Altstadt in jeder Spielform. Handwerklich sicherlich allesamt Hingucker - aufgrund der Masse wird es aber wirklich eine Herausforderung wirklich schöne Exemplare zu identifizieren.

...aber manchmal hilft die Sonne die schönsten Objekte zu entdecken. In einen wirklich kleinen und dunklen Stand fällt nur ein Sonnenstrahl durch die enge Gasse und erleuchtet eine Lampe wie ein Spotlight.
So muss das.

In einer eher abgelegenen Seitengasse findet man Menschen, die diese Lampen mittels Poliermaschinen zum Glänzen bringen. Der deutsche Arbeitsschutz würde hier Amok laufen. Hände, Wände, Gesichter und Klamotten sind schwarz vom Metallstaub. Die Lungen sicherlich auch...

Die Metallverarbeitung erfolgt - zumindest für die Touristen - wirklich noch per Hand. Mit unglaublicher Liebe zum Detail und Geduld entstehen kleine Meisterwerke. Die Fertigung dauert wirklich Stunden.

Während der Steinmetz (oder Stuckateur?) wohl noch so arbeitet wie seine Vorfahren vor Jahrhunderten laufen draußen nicht nur Touristen mit Handys durch die Gassen. Krasser kann der Unterschied zwischen Hektik und Gelassenheit, virtuell und analog, alt und neu kaum sein.

Der zentrale Platz in Marrakesch ist der Djeema el Fna. Um ihn herum befinden sich die verschieden Souks der Altstadt. Im Vergleich zu den dunklen Gassen ist der Djeema el Fna lichtdurchflutet - aber nicht weniger unübersichtlich. Der Platz ist riesig und es findet sich alles, was man nicht erwartet. Affendompteure, Schlangenbeschwörer, Droschken, Gaukler, Wasserverkäufer, Musikanten, Artisten, Schausteller, Henna-Malerinnen, und und und...

Als Schlangenfreund bleibe ich natürlich beim Anblick dieser Männer und ihrer Schlangen hängen - wenn auch recht wehmütig. Wissend, wie sich eine Kobra (die gleich vorne im Bild) üblicherweise verhalten würde und sehend, wie dieses Exemplar über eine Viertelstunde stumpf in der Drohhaltung verweilt, wird man erst zornig und später traurig, da man (wohl) auch akzeptieren muss, dass diese Menschen hier schlicht ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Und das ist in Marrakech eine andere Nummer als im schönen Europa.

Die Altstadt von Marrakech ist eine Herausforderung für jeden Orientierungssinn. Selbst dort, wo man mal ein wenig weiter gucken kann wie hier, stellt man sofort fest, dass klassische Vorstellungen von Erdgeschoss, 1.Etage etc. hier völlig daneben liegen. Das Auge findet kaum Halt und man fragt sich, wo die Dame auf dem Bild eigentlich hingehört. Ich weiß es bis heute nicht.

Die Gassen der Altstadt sind mindestens genauso verwirrend wie der Blick von oben. Tausende von kleinen und kleinsten Geschäften, noch mehr Menschen und Licht/Schatten-Spiele und Gerüche aus 1001-Nacht. Die Eindrücke überwältigen den Besucher unvermeidlich, will man diese Eindrücke auch nur ansatzweise verarbeiten, muss man sich unweigerlich endschleunigen - und es lohnt sich...

Man könnte ganze Webseiten mit der Darstellung der unterschiedlichsten kleinen Verkaufsstände und Geschäfte in der Altstadt von Marrakech füllen. Viele sind einfach nur Ramschläden, aber es gibt auch viele wirklich schöne und interessante unter ihnen. Dieser Stand hier ist einfach eine Trutzburg aus Süßigkeiten. Und süß heißt hier wirklich richtig süß. Die marrokanische Küche kennt hunderte von kleinen, feinen Leckereien und diese gibt es an jeder Ecke zu kaufen.
Alles unter den Wachen Augen des Inhabers und des Konterfei des Königs.

Das Auge findet in der Altstadt immer wieder Dinge, die es vorher noch nie gesehen hat - hier Rosenblüten getrocknet.

...oder hier Indigo. Hatte ich auch noch nie in real gesehen.

Der Beduinenmarkt im Hohen Atlas ist ein Fest für das Auge. In jeder Richtung ist etwas neues zu entdecken - eine wilde Mischung von Gemüse, Fleisch, Obst, Kleidung, Werkzeug, Babieren, Baumaterial, Elektrogeräten, Werkstätten, und und und...

Die Marokkaner haben den Dreh raus. Hier wird wirklich recycelt. Alte Reifen, Ölfässer, Kanister oder Gasflaschen erhalten eine neue Bestimmung - mit einfachsten Mitteln und vor allem sehr kreativ.

So lädt man einen LKW "voll".
Der deutsche TüV würde wohl in Ohnmacht fallen. Hier wird mit Kreativität und Geschick das Ladevolumen stumpf verdoppelt - und die Menschen überleben ohne Probleme...

Das ist wirklich der Parkplatz des Beduinenmarktes. Die Esel stehen hier bis zum Ende des Marktes um dann ihre Besitzer und/oder ihre Waren wieder in die Berge zu schaffen.

Ich gebe es zu - ich hab gekniffen. Die freundliche Einladung des Herrn Barbiers meinen 3-Tage-Bart mal ordentlich zu entfernen, wollte ich dann doch nicht annehmen.

Als Metzgersohn zog mich diese Ecke des Marktes natürlich magisch an. Hier ging es entgegen des restlichen Marktes sehr sortiert und strukturiert zu. Die hygienischen Bedingungen waren nicht perfekt, aber aus meiner Sicht völlig ausreichend - ich hätte das Fleisch ohne Bedenken gegessen. Und die Metzger freuten sich, dass ein Tourist sich für ihre Arbeit interessiert und sich nicht angewidert abwendet.

Ich weiß nicht, wieviele Menschen in dem VW-Bus stecken - aber ich bin mir sicher, dass die vorgesehene Anzahl einen Hauch überschritten wurde. Und dann stellt sich noch einer auf die Ladeklappe (ja, schaut mal genau hin) um sein Geraffelt auf dem Dach festzuhalten. Und dann stellt sich noch einer auf die Stoßstange. Warum sich der Letzte dann noch hinter diesen klemmt und nicht auf der anderen Seite des kleinen Busses, wird sein Geheimnis bleiben. Bequem sieht auf jeden Fall anders aus.

An jeder Ecke des Landes erhält man Argan-Öl angeboten. Dieses wird traditionell ausschließlich von Frauen auf archaischen Steinmühlen hergestellt.

Dringt man weiter in das Atlas-Gebirge vor, stellt man bald fest, warum dieses Gebirge der Hohe Atlas genannt wird. Hier wird es schnell recht kalt und ungemütlich. Eine Wanderung in die Berge bestätigt die Empfehlung nach festem Schuhwerk und Trittsicherheit.

Neben Trittsicherheit ist auch ein gewisses Maß an Gottvertrauen bei einer Wanderung im Hohen Atlas notwendig. Diese Brücke ausschließlich aus Holz errichtet sieht zwar wirklich ziemlich lausig aus - war aber erstaunlich stabil.

Ja, auf Englisch oder Französisch ist ein "s" oft die Endung im Plural.
Nur bei den blöden Deutschen nicht...

Auch ein Moped ist erst dann voll, wenn nix mehr drauf geht.
So entspannt wie diese Familie unterwegs ist, bin ich mir sicher, dass auch das dritte Kind noch seinen Platz finden wird...

Das dieses Moped noch einen Meter fahren konnte war schon eher erstaunlich, denn der Korb hinten dran ist einfach riesig. Aber vor allem duftete er derart verführerisch, dass ich dem Fahrer unbedingt eines dieser köstlichen Brote abkaufen musste. Ich habe keine Ahnung, was in diesem Brot verarbeitet wurde - aber es ist der Hammer.

Dieses Gemälde ist zu großen Teilen Opfer der Witterung und Nutzung geworden. Aber das Wesentliche, die Augen, sind fast unversehrt geblieben.
Ich weiß nicht genau warum, aber dieser Blick fasziniert mich. Vermutlich wegen des Kontrastes des zarten Gesichtes mit dem verwitterten, rauen und gesplitterten Holzes.

Die Jungs sind offenbar schwindelfrei aber mit Sicherheit schmerzfrei. Die deutsche Berufsgenossenschaft würde den Bauherrn standrechtlich lynchen.
Ich habe den beiden lange zugesehen - die haben das im Griff.

Mit einfachsten Mitteln aber nicht minder präzise drechselt dieser Mann in atemberaubender Geschwindigkeit reich verzierte Spindeln - und quatscht dabei völlig entspannt mit seinem Standnachbarn.

Politisch sicherlich nicht korrekt aber definitiv effektiv. Die Hühner verhalten sich bei dieser Transportweise absolut ruhig und nehmen das Ganze offenbar entspannt hin.

Ja, diesen Beruf gibt es in Marrakesch wirklich - auch wenn er heute sein Geld faktisch mit Fotos verdient, die Touristen von seinem prächtigen Auftritt machen.

Ja, und auch diesen Beruf gibt es in Marrakesch. Sicherlich ebenfalls politisch nicht korrekt, aber mit Tradition. Auch wenn ich nicht verstehe, warum die Kobras dauerhaft in der Drohhaltung bleiben. Es liegt nicht - wie immer kolportiert - an der Bewegung der Pfeife. Die bewegt sich kaum und einige Tiere schauen auch stumpf in eine andere Richtung. Vermutlich schlicht eine Konditionierung. Arme Wesen.

Mit der Zunge auf Kopfhöhe einer Puffotter zu fuchteln ist grundsätzlich keine schlaue Idee. Aber zum einen sind Puffotter wenig angriffslustig und zum anderen weiß der Herr genau, dass er auf der Unterseite des Kopfes für die Schlange fast unsichtbar ist. Somit ist er nicht wirklich mutig - aber pfiffig.

Dieses Bild hätte so wohl auch schon vor 100 Jahren gemacht werden können.
Vielleicht gefällt es mir deswegen.

Der Transport selbst erscheint mir einen Blick wert - viel interessanter ist aber die Vorstellung wie man die Tiere rauf und runter bekommt. Irgendwelche Rampen o.ä. gibt es bei den Bauern auf dem Land weit und breit nicht...

Wie immer die Viecher auf den Baum gekommen sind und wie immer man sie dazu bringt auch dort zu bleiben. Ich fand den Anblick amüsant.

Ein Trip in die Hafenstadt Essaouria war ein Kontrast zu Marrakesch. Die Menschen zeigten sich deutlich weniger auf Touristen geprägt und mithin sehr viel weniger auf Verkauf getrimmt. Alles viel entspannter und natürlicher. Der Hafen in dem noch erstaunlich viel traditionelle Fischerei stattfindet erwies sich in Sachen Vielfalt der Bootstypen jedoch als echte Monokultur.

Ich gebe zu keine Austern zu mögen, vor allem ob des immer damit einher gehenden affektierten Gehabes - bei dieser eher rustikalen Darreichungsform finde ich könnte man darüber aber noch mal nachdenken. Frisch waren sie definitiv.

Auf den ersten Blick ist so eine gigantische Fangleine mit ca. 500 Haken ein mörderisches Instrument des Fischfangs. Mag sein. Vergleicht man diese jedoch mit den vermeintlich humaneren Fangnetzen des industriellen Fischfangs, ist diese Methode hier doch das kleinere Übel.

Ein echter Blickfang an jeder zweiten Ecke sind die z.T. wunderschönen Türen Essaourias - ich könnte hier 100 davon zeigen. Jede individuell und auf ihre Art schön. Und noch schöner: (fast) alle sind uralt und erzählen ihre eigene Geschichte.

Die wenigen Touristen in Essaouria bewirken gleichzeitig, dass die Märkte in den Randbezirken fast nur von Einheimischen besucht werden. Die Berge von Oliven und sonstigen Nahrungsmitteln, die quatschenden Marktfrauen und die teeschlürfenden Herren der Schöpfung vermitteln ein beschauliches und zufriedenes Bild.

Dieses wohl einmalige Stück könnte wohl in jedem Fantasy-Film á la Herr der Ringe unmittelbar als Requisite dienen.

Ich habe diesem Künstler lange zugehört. Die Mischung eines kehligen Sing-Sangs unter der Begleitung eines erstaunlich virtuosen Instrumentes klang wirklich gut. Das er dabei tatsächlich auch ständig den Bommel seines Fez kreisen ließ, wirkte schon ein wenig lustig - aber passte zu seiner Laune. Er hatte Spaß.

Dieser freundliche englische Jogger und der musizierende Marrakeschi stimulierten sich gegenseitig zu Höchstleistungen - auch sie hatten Spaß. Offenbar verleitet diese Stadt zu einer entspannten Lebenseinstellung.
Marrakesch ist definitiv eine Reise wert und es gibt viel zu entdecken.

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